Das Jahr 2016 hat für die Energiewende sowohl gute als auch schlechte Nachrichten gebracht: Einerseits ist das Stromsystem das dritte Jahr in Folge klimafreundlicher geworden, konnten sich Gaskraftwerke von Kohlekraftwerken Marktanteile zurückerobern, verlief der Atomausstieg nach Plan, lieferten Erneuerbare-Energien-Anlagen so viel Strom wie nie zuvor, sank der Stromverbrauch und ist die Zustimmung der Bevölkerung zur Energiewende auf sehr hohem Niveau weiterhin gewachsen.
Andererseits wurde Ende 2016 deutlich, dass die Gesamt-Klimagasemissionen Deutschlands abermals gestiegen sind, die Strompreise für Haushalte 2017 erstmals die Marke von 30 Cent pro Kilowattstunde überspringen werden, und die Fortschritte so langsam erfolgen, dass die für 2020 gesetzten Ziele für Klimaschutz und Effizienz nur noch mit einer großen zusätzlichen Kraftanstrengung zu erreichen sind. Das zeigt die heute vorgestellte Jahresauswertung 2016 von Agora Energiewende.
Erneuerbare Energien liefern ein Drittel des Stromverbrauchs
Demnach lieferten Erneuerbare-Energien-Anlagen beinahe jede dritte Kilowattstunde Strom, die verbraucht wurde: 32,3 Prozent. Somit wuchs der Ökostrom-Anteil 2016 um 0,8 Prozentpunkte. Dass trotz des starken Zubaus insbesondere von Windkraftanlagen (5 Gigawatt) sowie von Solarstromanlagen (1 Gigawatt) nur 4 Terawattstunden mehr Ökostrom als im Vorjahr produziert wurden, ist den unterdurchschnittlichen Wind- und Sonnenbedingungen im Jahr 2016 geschuldet. „Daraus können wir für die weitere Energiewende lernen, dass sich der Ausbau der Erneuerbaren Energien an den regelmäßig auftretenden schlechten Windjahren orientieren sollte. Denn nur dann ist der Klimaschutz im Energiesystem wirklich gesichert“, sagt Dr. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende.
Sehr deutlich legten Erdgaskraftwerke zu – sie produzierten gut ein Viertel mehr Strom als im Vorjahr. Mit einem Anteil von 12,1 Prozent am Erzeugungsmix lieferten sie fast so viel Strom wie Kernkraftwerke (13,1 Prozent), deren Erzeugung sich seit 2000 annähernd halbiert hat.
Braunkohleanteil sinkt
Infolge des Wachstums bei der Verstromung von Erdgas und bei Erneuerbaren Energien sank der Anteil von Braunkohle an der Stromerzeugung auf 23,1 Prozent (-0,8 Prozentpunkte), der Anteil der Steinkohle verminderte sich auf 17 Prozent (-1,2 Prozentpunkte). Damit hält der 2014 begonnene Rückgang der Kohleverstromung weiter an. „Wenn man den Rückgang der Kohleverstromung in 2016 in der Zukunft so fortsetzen würde, so würde ungefähr Anfang 2038 das letzte Kohlekraftwerk vom Netz gehen“, sagt Graichen. „Das entspricht dem von Agora Energiewende vorgeschlagenen Kohlekonsens-Pfad. Nach der Bundestagswahl müssen hierzu zügig die Gespräche beginnen, um einen gesamtgesellschaftlichen Konsens für Klimaschutz, Strukturwandel und Versorgungssicherheit zu erreichen.“
Klimabilanz
Der verminderte Kohleeinsatz schlägt sich auch in der Klimabilanz des Stromsystems nieder: Dessen CO2-Emissionen gingen 2016 leicht zurück und lagen bei 306 Millionen Tonnen (-1,6 Prozent gegenüber 2015). Demgegenüber sind die Gesamt-Treibhausgasemissionen Deutschlands von 908 auf 916 Millionen Tonnen gestiegen (+0,9 Prozent). Damit sind die CO2-Emissionen des Stromsektors nun im dritten Jahr in Folge gesunken, während in den Sektoren Industrie, Wärme und Verkehr kaum Klimaschutz stattfindet. „Die Energiewende ist nicht nur eine Sache des Stromsektors – jetzt müssen auch Industrie, Wärme und Verkehr ihre Klimaschutzbeiträge liefern“, so Graichen.
Der Stromverbrauch ging 2016 zwar leicht zurück und liegt mit 592,7 Terawattstunden um 2,4 Terawattstunden unter Vorjahresniveau. Um das für 2020 gesetzte Effizienzziel der Bundesregierung zu erreichen, müssten von nun an jedoch 9 Terawattstunden pro Jahr eingespart werden. „Deutschland wird zwar immer effizienter im Umgang mit Strom. Denn trotz eines Wirtschaftswachstums von 1,8 Prozent ist der Stromverbrauch gesunken“, sagt Graichen. „Es muss hier aber noch viel mehr geschehen. Jede gesparte Kilowattstunde macht die Energiewende kostengünstiger.“
Positive Sicht der Energiewende
In der Bevölkerung wird die Energiewende weiterhin positiv gesehen – die Zustimmung ist 2016 sogar noch gewachsen. So halten 93 Prozent der Bundesbürger in einer jährlich wiederholten Umfrage die Energiewende für „wichtig“ oder „sehr wichtig“ – eine Verbesserung um drei Prozentpunkte seit 2015 und der höchste Wert in fünf Jahren. Auch die Umsetzung wird besser beurteilt: 47 Prozent der Befragten halten sie inzwischen für „gut“ oder „sehr gut“. Das entspricht ebenfalls einer Verbesserung um drei Prozentpunkte.
Die Jahresauswertung zeigt auch, dass 2016 das Jahr der billigen Energie war. So sanken sowohl die Weltmarktpreise für Kohle, Öl und Gas als auch die Strompreise an der Börse. Diese lagen mit 26,60 Euro pro Megawattstunde auf einem 10-Jahres-Tief. Zugleich hat die deutsch-dänische Solarenergie-Auktion gezeigt, wie günstig Solarstrom sein kann: Nur noch 5,38 Cent pro Kilowattstunde wird die Vergütung hier betragen. Das ist der niedrigste je in Europa erzielte Betrag für Solarstrom.
Doch während Börsenstrom, Erdgas und Heizöl immer billiger werden, gilt dies aufgrund von steigenden Abgaben und Umlagen nicht für den Haushaltsstrompreis. Er übersteigt 2017 die Marke von 30 Cent pro Kilowattstunde. „Bleibt das System der Abgaben und Umlagen wie es ist, so ist bis 2023 ein weiterer Anstieg der Strompreise absehbar“, sagt Graichen. „Erst danach kommen die ‚Ernte-Jahre‘ der Energiewende. Nach der Bundestagswahl sollte die Energiepolitik daher das System der Steuern, Abgaben und Umlagen auf Energie komplett überarbeiten. Denkbar wäre es etwa, die Stromkosten zu senken, und die Abgaben und Umlagen auf klimaschädliche Energieträger wie Kohle, Heizöl, Diesel, Benzin und Gas zu verlagern.“
Für die rund 50-seitige Analyse „Die Energiewende im Stromsektor: Stand der Dinge 2016“ hat Agora Energiewende zahlreiche öffentlich zugängliche Daten analysiert und miteinander in Zusammenhang gesetzt. Die Publikation steht auf der Internetseite www.agora-energiewende.de kostenfrei zur Verfügung.