Plötzlich wird digital unterrichtet: Lehrkräfte stellen Unterrichtsmaterialien und Aufgaben ins Netz und kommunizieren mit Schülerinnen und Schülern über Messenger- oder Videokonferenzdienste. Doch mangels landesweit einheitlicher Angebote und digitaler Infrastrukturen mussten in den letzten Wochen viele Schulen und Lehrkräfte in der Not sehr schnell eigene Lösungen finden.
Oft nutzen Lehrkräfte innerhalb einer Klasse verschiedene Anwendungen – viele davon sind nicht datenschutzkonform. Die Schul-Cloud des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) ist eine rechtskonforme Lernumgebung, die dank der schnellen finanziellen Unterstützung des Bundes seit wenigen Tagen allen Schulen bundesweit offen steht und sie entlasten kann.
„Die Corona Krise offenbart die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte in der digitalen Schulbildung. Lehrkräfte sind weder IT- noch Datenschutzexperten. Für den Unterricht brauchen sie aber dringend eine sichere digitale Lernumgebung – einen geschützten Raum, in dem sie mit ihren Schülerinnen und Schülern unbesorgt arbeiten und dabei darauf vertrauen können, dass keine sensiblen Daten missbraucht werden“, sagt Professor Christoph Meinel, Direktor des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) und Leiter des HPI Schul-Cloud-Projekts.
Das Hasso-Plattner-Institut (HPI) entwickelt seit 2017 gemeinsam mit dem nationalen Excellence-Schulnetzwerk MINT-EC, zahlreichen Experten aus Wissenschaft und Praxis und gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eine Schul-Cloud, mit der digitale Inhalte verschiedener Anbieter einfach und sicher in der Schule genutzt werden können. Ziel der HPI Schul-Cloud ist es, eine intuitiv bedienbare digitale Lehr- und Lernumgebung zu schaffen, die orts- und zeitunabhängig von jedem Endgerät genutzt werden kann und datenschutzkonform ist. Die HPI Schul-Cloud verfügt aus diesem Grund eigens über eine spezielle Pseudonymisierungsschnittstelle, um den Schutz personenbezogener Daten sicherzustellen, wenn mit Inhalten externer Anbieter gearbeitet wird. Das heißt Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler können über sie in der Cloud jedes gewünschte digitale Lernsystem der Welt nutzen, ohne dass ihre Daten an die Anbieter von Lernsystemen weitergeleitet werden. Beim Übergang zu einer interaktiven Lernsoftware werden die Klarnamen der Nutzer immer in Pseudonyme, also zufällige Folgen aus Ziffern und Zeichen, verwandelt. Die HPI Schul-Cloud unterscheidet sich damit deutlich von anderen Angeboten.
BMBF öffnet die HPI Schul-Cloud
„Die Bundesregierung und die Bundesländer haben in der Krise sehr schnell reagiert, um die Schulen zu unterstützen. Wir können jetzt weit über den ursprünglich definierten Kreis Schulen an die HPI Schul-Cloud anbinden und freuen uns über Anmeldungen aus dem gesamten Bundesgebiet“, so Meinel. Seit der Zugangsöffnung für alle Schulen durch das BMBF am 27. März hätten sich bereits mehr als 2800 Schulen für die HPI Schul-Cloud angemeldet. „So schnell wie möglich möchten wir den Schulen das Arbeiten mit der HPI Schul-Cloud ermöglichen, dafür haben wir den sogenannten Onboarding-Prozess für neue Schulen stark verkürzt.“ Auch die Vorbereitung der Lehrkräfte erfolge nun weitgehend elektronisch. Über die neu geschaffene Weiterbildungsplattform für Lehrkräfte Lernen.cloud seien erste Einführungskurse in die Arbeit mit der HPI Schul-Cloud und Best-Practice-Unterrichtsszenarien bereits verfügbar.
HPI Wissenspodcast Neuland zur HPI Schul-Cloud
Wie die HPI Schul-Cloud in der Corona Krise Schulen helfen kann, ist auch Thema des aktuellen Wissens-Podcasts Neuland: (https://podcast.hpi.de). Im Gespräch mit Moderator Leon Stebe spricht Prof. Christoph Meinel darin über den Stand der digitalen Schulbildung in Deutschland und erklärt, warum Schulen dringend eine sichere digitale Lernumgebung wie die HPI Schul-Cloud brauchen.
Die HPI Schul-Cloud
Schulen benötigen zur Nutzung digitaler Lehr- und Lerninhalte eine zukunftssichere IT-Infrastruktur. Das Hasso-Plattner-Institut (HPI) entwickelt gemeinsam mit dem nationalen Excellence-Schulnetzwerk MINT-EC, zahlreichen Experten aus Wissenschaft und Praxis und gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eine Schul-Cloud, mit der digitale Inhalte verschiedener Anbieter einfach und sicher in der Schule genutzt werden können. Das Projekt wird kontinuierlich von Vertretern der Ministerien, Schulen und Branchenverbänden sowie der Arbeitskreise „Technik“ und „Datenschutz und Schule“ der Landesdatenschutzbeauftragten begleitet. Bundesweit arbeiten derzeit ausgewählte Schulen des Projektpartners MINT-EC im Rahmen eines Pilot-Projekts mit der Schul-Cloud. Dazu kommen niedersächsische Schulen sämtlicher Schulformen über die Kooperation mit der Niedersächsischen Bildungscloud (NBC), Schulen aus Brandenburg arbeiten mit der Schul-Cloud Brandenburg und Schulen in Thüringen mit der Thüringer Schul-Cloud. Alle drei Bundesländer arbeiten mit landesspezifischen Varianten der HPI Schul-Cloud. Seit Ende März 2020 ermöglicht das BMBF Schulen bundesweit den Zugang zur HPI Schul-Cloud.
Protest regt sich gegen das Projekt:
Die mittelständischen Unternehmen AixConcept, DigiOnline, H+H Software, IServ, itslearning und SBE network solutions sandten einen offenen Brief an die Bundesministerin für Bildung und Forschung Anja Karliczek, in dem sie gegen die Entwicklung einer HPI Schul-Cloud protestieren, die bereits bewährte, praxiserprobte Schul-Cloud-Lösungen im Markt ausbremst und behindert.
Sehr geehrte Frau Bundesministerin Karliczek,
in der aktuellen Ausnahmesituation benötigen Schulen Hilfe beim Aufbau digitaler Lösungen für den Unterricht. Deutsche Mittelständler bieten vielfältige innovative Lösungen für Schulen an. Diese Produkte sind praxisnah, ausgereift und werden seit vielen Jahren erfolgreich an Schulen eingesetzt. Die Anbieter leisten schon seit Beginn der Schulschließungen Soforthilfe, indem sie Schulen unbürokratisch und teils auch komplett kostenlos ihre Produkte und Dienstleistungen zur Verfügung stellen. Da eine kurzfristige Finanzierung vom Staat fehlt, werden die zusätzlich nötigen Kapazitäten – so gut es geht – aus eigenen Mitteln finanziert.
Statt diese Bemühungen zu unterstützen, steckt das BMBF nun erneut einen zweistelligen Millionenbetrag in sein eigenes Konkurrenzprodukt. Die HPI Schul-Cloud befindet sich mitten in der Pilotphase, eine praktische Erprobung im Schulalltag steht noch aus. Das verfrühte Ausrollen eines unfertigen Produktes belastet die beteiligten Lehrkräfte zusätzlich und wird möglicherweise weitere Vorbehalte gegen die Digitalisierung von Schule erzeugen.
Generell ist der staatliche Markteingriff durch die Entwicklung einer eigenen Schul-Cloud unnötig und kontraproduktiv. Die Digitalisierung von Schule ist ein langwieriger Prozess. Es fehlt dabei nicht an guten Lösungen. Die Probleme liegen vielmehr in der Ausbildung einer gemeinsamen Vision über die verschiedenen Bildungsebenen hinweg, der Qualifizierung des Lehrpersonals, mangelnder Interoperabilität und langen Entscheidungsverfahren. Der Digitalpakt hat hier bereits eine positive Lenkungswirkung übernommen und der Mittelstand spielt dabei eine entscheidende Rolle: Die Unternehmen sind vor Ort verfügbar und somit zentraler Ansprechpartner für die Implementierung und Schulung sowie für den langfristigen Support der eingesetzten Lösungen.
Das Projekt HPI Schul-Cloud zögert die Digitalisierung von Schule weiter hinaus. Anstatt auf funktionierende Lösungen am Markt zu setzen, warten Schulen und Träger auf das vermeintlich kostenlose Allheilmittel vom Bund. Die Folgekosten und konzeptionellen Einschränkungen, wie die Ausrichtung des Produktes auf wenige Kernfunktionen für den Unterricht, werden dabei verschwiegen.
Mit der rein singulären Förderung von einzelnen, prominenten Institutionen verletzt das BMBF das Subsidiaritätsprinzip und fügt den mittelständischen Anbietern erhebliche finanzielle Schäden zu. Diese Mittel fehlen bei der Weiterentwicklung der etablierten Lösungen. Die einseitige Förderung staatlicher Angebote behindert den Wettbewerb vielfältiger, bewährter Produkte und zerstört Innovationskraft. Verlierer sind am Ende die Schülerinnen und Schüler.
Stattdessen sollte eine Unterstützung der bereits erfolgreichen, im Bildungsmarkt agierenden Partner in der Breite erfolgen. Erst dadurch kann die flächendeckende IT-Versorgung der Schulen durch individuelle Beratung gewährleistet werden.