In der Berliner Luft werden derzeit regelmäßig die EU-Grenzwerte für Konzentrationen von Stickstoffdioxid (NO2) überschritten. Wie würde sich die Luftqualität in der Stadt verändern, wenn Diesel-PKW geltende Emissionsstandards einhielten? Forscherinnen und Forscher des Instituts für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) haben dazu in einer neuen Studie konkrete Daten vorgelegt.
Die Berechnungen des IASS-Forschungsteams belegen, dass die Wahrscheinlichkeit von Grenzwert-Überschreitungen stark sinken würde, wenn alle Diesel-PKW die von der amerikanischen Environmental Protection Agency (EPA) empfohlenen Emissionsstandards einhielten.
„Das ist im Moment der strengste Standard. Schon die Erfüllung der Euro-5-Abgasnorm würde die Luftqualität deutlich verbessern. Aber da Autohersteller global verkaufen wollen, sollten sie in der Lage sein, auch die EPA-Standards zu erfüllen. Dafür müssten sie in Forschung und Entwicklung investieren. Unsere Studie zeigt, dass sie mit dieser Investition einen wichtigen Beitrag zum Erreichen der EU-Luftqualitätsziele leisten würden“, sagt Leitautorin Erika von Schneidemesser.
Derzeit liegen die Emissionen von Euro-5-PKW bis zu fünfmal höher als der gesetzliche Grenzwert in der EU, die von Euro-6-PKW sogar vier- bis zwanzigmal höher. Dabei gilt Stickstoffdioxid (NO2) als besonders schädlich für die menschliche Gesundheit. Es kann zu Herz- und Kreislauferkrankungen führen.

Berliner Luft: Daten von 16 Berliner Messstationen und Atmosphärenchemie-Modell

Um verlässliche Daten zu ermitteln, wandte das Forschungsteam des IASS zwei voneinander unabhängige Methoden an, die auf Messungen an 16 Messstationen in Berlin aus dem Jahr 2014 sowie auf einem Atmosphärenchemie-Modell basierten. Die Messstationen lieferten Daten zur verkehrsnahen Konzentration, etwa an vielbefahrenen Straßen, sowie zur sogenannten urbanen Hintergrundkonzentration in einiger Entfernung von wesentlichen Luftverschmutzungsquellen wie Autos.
Das Atmosphärenchemie-Modell WRF-Chem lieferte ausschließlich Daten zur urbanen Hintergrundkonzentration. Die Ergebnisse zur Hintergrundkonzentration auf der Grundlage der Messdaten und des Modells fielen sehr ähnlich aus – ein Nachweis ihrer Aussagekraft. Die Forscherinnen und Forscher nutzten außerdem Daten zu Emissionen von Stickstoffoxiden (NOx) aus einem europäischen Emissionsinventar, um den von Diesel-PKW stammenden Anteil an den NOx-Emissionen zu berechnen. Anschließend schätzten sie den Anteil von NO2 – auf das sich der EU-Grenzwert bezieht – an den NOx-Emissionen.

Emissionen unter dem Grenzwert sogar an vielbefahrenen Straßen

Von den fast 25.000 Kilotonnen an jährlichen NOx-Emissionen in Berlin stammen nach der Kalkulation der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler etwa 3500 bis 6500 von Diesel-PKW. Wenn die EPA-Standards eingehalten würden, wären es nur 190 bis 355 Kilotonnen. Diese Reduktion hätte zur Folge, dass der jährliche Mittelwert der städtischen Hintergrundkonzentration von NO2 um 1,2 bis 2,2 µg m-3 sinken würde, der Mittelwert an den verkehrsnahen Messstationen sogar um 9 bis 17 µg m-3.
„Grenzwertüberschreitungen würden also viel seltener stattfinden. Angesichts solch deutlicher Auswirkungen sollten Politiker gerade in Deutschland, wo der Diesel stark gefördert wurde, die Industrie zu wirksamen Maßnahmen zwingen“, kommentiert Leitautorin Erika von Schneidemesser.
Die vollständige Studie finden Sie unter:
von Schneidemesser, E., Kuik, F., Mar, K. A., Butler, T. M. (2017 online): Potential reductions in ambient NO2 concentrations from meeting diesel vehicle emissions standards. – Environmental Research Letters.
DOI: http://doi.org/10.1088/1748-9326/aa8c84