Der Ökoenergieanbieter Greenpeace Energy prüft Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union zugunsten des Subventionspakets für das geplante britische Atomkraftwerk Hinkley Point C.
Das teilte der Ökostromanbieter heute mit. Ein dem EuGH nachgeordnete Gericht hatte eine Klage von zehn Energieanbietern aus Deutschland und Österreich gegen hohe staatliche Subventionen für das Atomkraftwerks-Projekt als nicht zulässig abgewiesen.

Rechtsstreit von grundsätzlicher Bedeutung

Der Rechtsstreit hat grundsätzliche Bedeutung, weil Hinkley Point C als Blaupause für ein Dutzend weiterer Atomkraftwerk-Projekte in Großbritannien und anderen europäischen Ländern dienen kann. „In unserer Klage geht es nicht nur um die wirtschaftliche Betroffenheit einiger Unternehmen und nicht allein um Fragen der britischen Nuklearförderung, sondern gerade im Hinblick auf die Gründe der Kommission, die Beihilfe zu genehmigen, auch um eine entscheidende Weichenstellung für die europäische Energiepolitik“, sagt Sönke Tangermann, Vorstand von Greenpeace Energy. „Das Gericht verkennt aus unserer Sicht die Tragweite der Entscheidung, wenn es nun unsere Bedenken gegen die exorbitanten britischen Atomsubventionen abweist“, so Tangermann.

108 Milliarden Euro Subventionen

Die geplanten Subventionen für Hinkley Point C summieren sich laut einer Studie des deutschen Analyseinstituts Energy Brainpool auf 108 Milliarden Euro. Zusätzlich verspricht der britische Staat dem Betreiberkonzern EDF ein umfangreiches Garantiepaket in zweistelliger Milliardenhöhe. 2014 hatte die EU-Kommission die Beihilfen genehmigt. Gegen die Genehmigung klagten daraufhin Greenpeace Energy, die oekostrom AG aus Österreich sowie die deutschen Stadtwerke Aalen, Bietigheim-Bissingen, Bochum, Mainz, Mühlacker, Schwäbisch-Hall, Tübingen und Energieversorgung Filstal vor dem EuG. Das Subventionspaket ist mittlerweile von der britischen Regierung überarbeitet worden. Gestern erst hatte EDF den neuen Beihilfebedingungen zugestimmt.

Wettbewerbsnachteile befürchtet

Die zehn klagenden Unternehmen befürchten Einbußen und Wettbewerbsnachteile, da Hinkley Point C aufgrund der hohen staatlichen Subventionen unabhängig vom Marktpreis Strom erzeugen und verkaufen kann. Die Kläger hatten 2015 mit einer Studie belegt, dass das Atomkraftwerk die Börsenstrompreise auch in Deutschland messbar beeinflusst, andere Energieanbieter sowie Betreiber von Ökostrom-Anlagen dadurch wirtschaftlich benachteiligt und sogar Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland stärker belastet.
„Durch unsere Klage – und die damit verbundene Aufmerksamkeit – haben wir erreicht, dass die juristischen und wirtschaftlichen Probleme im Energiebinnenmarkt offenkundig wurden, die dieses riskante Atomkraftwerk-Projekt schon jetzt deutlich verzögern“, sagt Sönke Tangermann. „Dies ist ein Teilerfolg. Trotz des heutigen Gerichtsurteils werden wir uns weiter mit aller Kraft gegen Hinkley Point C und andere Atomkraftwerks-Vorhaben in Europa engagieren, gerade weil Großbritannien und EDF berechtigte Kritik ignorieren und das Projekt ohne Rücksicht auf Verluste fortsetzen wollen, gegen jeden wirtschaftlichen, umwelt-, sozial und marktorientierten Sachverstand“, sagt Sönke Tangermann.
EU Staaten planen Atomkraftwerke
Weitere EU-Staaten wie Polen, die Slowakei, Tschechien und Ungarn planen ebenfalls den Bau von Atomreaktoren, am konkretesten ist derzeit das AKW-Projekt Paks II in Ungarn. Die vier Staaten hatten Anträge beim EuG gestellt, als Streithelfer in das Verfahren zu Hinkley Point C auf Seiten der beklagten EU-Kommission einzusteigen, um deren Argumentationsweise zur Genehmigung der Atombeihilfen zu verteidigen. Sollten die AKW-Projekte in der EU nach dem Vorbild von Hinkley Point C realisiert werden, drohen nach Ansicht von Greenpeace Energy noch stärkere Verzerrungen auf den immer enger vernetzten europäischen Energiemärkten.
Mehrere Unternehmen der Klägergemeinschaft haben sich deshalb Mitte Februar mit einer offiziellen Stellungnahme am Beihilfeprüfverfahren um das ungarische AKW-Projekt Paks II beteiligt. Greenpeace Energy hatte zudem Anfang April in Brüssel auf Einladung der EU-Kommission bei der Generaldirektion Wettbewerb seine Kritik an den ungarischen AKW-Plänen vorgetragen. „Unabhängig vom weiteren Gang des Verfahrens um Hinkley Point C werden wir auch die Entwicklung im Fall Paks II sehr kritisch begleiten und uns auch in Zukunft gegen wettbewerbsverzerrende Beihilfen für europäische AKW-Bauten engagieren“, sagt Sönke Tangermann von Greenpeace Energy. „Sollte die EU-Kommission das geplante ungarische Finanzierungspaket ebenfalls durchwinken, werden wir auch hier weitere juristische Schritte ernsthaft prüfen“, so Tangermann.