Kaum gewählt, steht der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, in der Kritik von acht europäischen Nichtregierungsorganisationen. Sie kritisieren den Kurs des neuen Kommissionspräsidenten: „Juncker reduziert eine kombinierte EU-Außenpolitik auf Sicherheitsaspekte“, sagte Wolfgang Jamann, Präsident des europäischen NGO-Netzwerks Alliance2015 und Generalsekretär der Welthungerhilfe.
„Das Thema Entwicklungspolitik hat er offenbar dem Wahlkampf geopfert.“ In seiner Bewerbungsrede vor dem Europäischen Parlament am 15.7. hatte Juncker ein ausführliches Zehn-Punkte-Programm für seine Präsidentschaft vorgestellt. Während die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit stagnieren, will Juncker die Grenzagentur FRONTEX und die gemeinsamen Verteidigungspolitik deutlich ausbauen.
Rolle als größter Geldgeber nicht verspielen
„Die Europäische Union darf ihre Rolle als weltweit größter Geber von Entwicklungsgeldern nicht verspielen“, so Jamann. „Gerade im Hinblick auf die 2015 neu zu beschließenden globalen Entwicklungsziele muss sie sich ihrer internationalen Verantwortung stellen.“ Von ihrer Selbstverpflichtung Ziel 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit auszugeben ist die Europäische Union noch weit entfernt; 2012 lagen alle Mitgliedsländer zusammen bei 0,43 Prozent.
„Wir sollten die Flüchtlinge nicht bekämpfen, sondern sie als das verstehen, was sie sind: ein Zeichen für Hunger und Verzweiflung in vielen Ländern der Welt“, sagte Jamann. „Von Herrn Juncker erwarten wir ein klares Bekenntnis zur Solidarität mit den Ärmsten der Welt. In seinem Heimatland wird das längst verstanden: Luxemburg ist gemessen am Bruttonationaleinkommen der drittgrößte Geber nach Schweden und Norwegen.“
Jean-Claude Juncker wurde am 15. Juli von 422 der 751 Parlamentsabgeordneten zum Kommissionspräsidenten gewählt. Der Christdemokrat tritt damit die Nachfolge von José Manuel Barroso (Europäische Volkspartei) an.
Die Welthungerhilfe ist eine der größten privaten Hilfsorganisationen in Deutschland. Sie leistet Hilfe aus einer Hand: Von der schnellen Katastrophenhilfe über den Wiederaufbau bis zu langfristigen Projekten der Entwicklungszusammenarbeit mit einheimischen Partnerorganisationen nach dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe. Seit der Gründung im Jahr 1962 wurden mehr als 7.100 Projekte in 70 Ländern mit 2,52 Milliarden Euro gefördert – für eine Welt ohne Hunger und Armut.