Die Belastung mit Stickstoffdioxid (NO2) ist in Deutschlands Städten im Zuge der Corona-Maßnahmen deutlich gesunken. Das ergibt eine Umfrage des ARD-Politikmagazins Kontraste unter den Umweltbehörden der Bundesländer.
Nahezu alle Länder verzeichnen einen deutlichen Rückgang der NO2-Werte aufgrund des reduzierten Straßenverkehrs. Fahrzeuge mit Dieselmotoren gelten als Hauptquelle des gesundheitsschädlichen Stickstoffdioxids in Städten.
In Berlin etwa gingen die NO2-Werte an den verkehrsnahen Messstellen während des Corona-Shutdowns im Mittel um 28 Prozent gegenüber den Vormonaten zurück. Hamburg meldet eine Abnahme der Messwerte seit Beginn der Corona-Maßnahmen um 23 bis 48 Prozent. In Bayern wurden an den Messstationen in Straßennähe im Vergleich zum Vorjahreszeitraum durchschnittlich 26 Prozent weniger NO2-Immissionen registriert, in Baden-Württemberg sind es 24 Prozent. Das Hessische Landesamt für Umwelt schätzt den um Wettereinflüsse bereinigten Rückgang der Stickstoffdioxidkonzentrationen auf 30 Prozent ein, das Saarland kommt witterungsbereinigt auf 30 bis 60 Prozent.
Kürzlich hatten Meldungen für Aufsehen gesorgt, wonach die NO2-Werte trotz des reduzierten Verkehrsaufkommens gleich geblieben oder sogar gestiegen seien. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Steffen Bilger (CDU) hatte in diesem Zusammenhang sogar erklärt: „Das Thema Diesel-Fahrverbote ist aus meiner Sicht damit endgültig vom Tisch. Warum die Stickoxid-Werte trotz rapidem Verkehrsrückgang nicht sinken, wirft Fragen auf.“ Im Fokus stand dabei vor allem die Messstation am Stuttgarter Neckartor, wo die mittlere NO2-Konzentration im März und April gegenüber den Februarwerten leicht angestiegen war. Auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) äußerte sich im Bundestag: „Wenn wir jetzt in der Situation einfach nur noch 15 bis 20 Prozent Verkehre haben an den verschiedenen Messstellen, aber die Messergebnisse gleich bleiben oder sogar schlechter sind, dann ist das in einem Missverhältnis.“
Wetterlage ist ausschlaggebend gewesen
Tatsächlich ist der Verkehr am Stuttgarter Neckartor im Zuge der Corona-Maßnahmen nur auf etwa 60 Prozent zurückgegangen. Dass die NO2-Werte dennoch leicht anstiegen, liegt laut dem Stuttgarter Stadtklimatologen Rainer Kapp an einem Wetterumschwung. So habe im Februar die regen- und windreiche Witterung für außergewöhnlich niedrige Stickoxidwerte gesorgt. „Ab 16. März hatten wir dann den Beginn einer stabilen Hochdruckphase mit wenig Wind und vertikalem Luftaustausch, wo sich auch in normalen Zeiten Schadstoffe im Talkessel von Stuttgart stark anreichern“, so Kapp gegenüber Kontraste. Ohne den Corona-bedingten Verkehrsrückgang wären noch deutlich höhere Werte zu erwarten gewesen.
Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte vor diesem Hintergrund die Aussagen Andreas Scheuers: „Wenn aus dem Bundesverkehrsministerium mal schnell irgendwas kommentiert wird mit ungenügender Information, dann ist das nicht sehr hilfreich“, so Hermann zu Kontraste. Auch Ute Dauert, Luftqualitätsexpertin im Umweltbundesamt, sagte angesichts der jüngsten Daten, das von Scheuer beklagte „Missverhältnis“ gebe es nicht: „Wir finden einhergehend mit der Reduzierung des Straßenverkehrs in den Städten durch die Coronakrise einen Rückgang der NO2-Konzentration. Von daher kann man diese Feststellung einfach so nicht stehen lassen, sie ist schlichtweg falsch.“