Wenn man über nachhaltiges Reisen redet, dann wird sehr schnell die Verkehrsmittelwahl und die Auswahl des Hotels als die wichtigsten harten Argumente für den Maßstab der Nachhaltigkeit herangezogen. Dabei gibt es noch eine Reihe ganz anderer Punkte, die bei der Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle spielen.
Das ist umso wichtiger, da im vergangenen Jahr schon knapp 133.000 Menschen mit den nachhaltigen Reiseveranstaltern, die sich im Forum anders reisen, zusammengeschlossen haben, unterwegs waren. Im Vergleich zur Gesamtbranche verzeichnen die Anbieter nachhaltiger Reisen überdurchschnittliche Wachstumsraten. Die Zuwächse liegen sowohl im Europa-Reisesektor als auch bei Fernreisen. Generelle Reisetrends des deutschen Marktes in bestimmte Zielgebiete wie Spanien, Italien oder Kuba sind auch bei den Veranstaltern von nachhaltiger Reisen ablesbar, ebenso wie Sicherheitsbedenken der Reisenden. Daneben wird die bewusste Lebensweise des Alltags zunehmend auch im Urlaub weitergelebt. Das betrifft insbesondere Aspekte wie die Ernährung und die Aktivitäten unterwegs, wie Wandern, Fahrradfahren oder Yoga. Oft auch eine Kombination aus beiden. Grund genug also, beispielweise mit Andrè Kiwitz, dem Geschäftsführer des Berliner Reiseveranstalters Viventura Reisen über die Herausforderungen nachhaltiger Reiseangebote zu sprechen.
Schließen sich Nachhaltiges Reisen und Tourismus nicht im Grunde genommen aus: Gerade was beispielsweise das Thema Südamerika angeht, gibt es sehr lange Flugzeiten und das Flugzeug gilt als einer der Klimakiller Nummer eins? 
Viventura Reisen: Wir sind uns bewusst, dass speziell die langen Transatlantik-Flüge einen enormen CO2 Ausstoß haben. Deswegen bieten wir bei so entfernten Reisezielen keine Reisen an, die eine Dauer von unter 14 Tagen haben und vermeiden Flüge wann immer es geht. Inland-Reisen vor Ort in den Zielgebieten versuchen wir zum Beispiel oft mit dem Bus durchzuführen.
Gibt es eine Möglichkeit der Kompensation?
Viventura Reisen: Es gibt verschiedenste Anbieter zur CO2 Kompensation, darunter atmosfair.de oder myclimate.de. Durch eine Spende an diese Klimaschutzorganisationen unterstützen die Reisenden Projekte auf verschiedenen Teilen der Welt, die z.B. durch Investitionen in erneuerbare Energien den Einsatz von Dieselgeneratoren überflüssig machen und so dieselbe Menge an CO2 an anderer Stelle wieder einsparen. Oft kann man bei der Buchung einer Reise direkt den CO2-Ausstoß ausrechnen und eine entsprechende Spende zum Ausgleich dazu tätigen lassen.
Was bedeutet für Sie als Unternehmer der Begriff des nachhaltigen Reisens?
Viventura Reisen: Wir sehen im Begriff der Nachhaltigkeit nicht nur ökologische, sondern auch soziale Aspekte: Auch die lokalen Partner vor Ort sollen von unseren Reisen profitieren. Sie werden unter unseren Gastgebern keine bekannten Kettenhotels finden, sondern ausschließlich lokale Betriebe, welche auch vor Ort Steuern zahlen. Das gleiche gilt für unsere Transportunternehmen. Im Gegensatz vielen unserer Mitbewerber arbeiten wir nicht mit externen Agenturen um Dienste einzukaufen, sondern haben unsere eigenen Kontakte vor Ort. So entstehen gleich zwei Vorteile: Zum einen können wir günstigere Reisen anbieten, da keine Kommissionskosten bei anderen Reiseagenturen entstehen. Auf der anderen Seite ermöglicht uns diese Vorgehensweise eine direkte und somit bessere Qualitätskontrolle der lokalen Partner wie Hotels, Reiseführer und Transportunternehmen. Unser Fokus liegt auf Qualität und Verantwortung um authentische und nachhaltige Reiseerlebnisse zu schaffen. Nachhaltig zu Reisen bedeutet für uns nicht den Verzicht auf Qualität.
Worauf sollte ich als Gast achten, wenn ich eine nachhaltige Reise buche?
Viventura Reisen: Diese wichtigen Aspekte sollten sie bei der Buchung einer nachhaltigen Reise prüfen:

  • Reisedauer – Alle unter 14 Tage dauernden Fernreisen sind unseriös.
  • Wie oft wird geflogen?
  • Könnte man diesen Reiseteil auch mit dem Bus machen?
  • Welcher Kontakt besteht zur lokalen Bevölkerung?
  • Gruppengröße: Werden die Gruppen unter 15 Teilnehmer gehalten?
  • Gastgeber: Welche Unterkünfte werden genutzt? Sind diese von Locals betrieben?
  • Werden generell lokale Partner unterstützt? 􀀁 Ist die Reise ökologisch und sozial nachhaltig?
  • Ist ein Siegel (wie z.B. das CSR TourCert) vorhanden?

Bislang redet man meist über die Verkehrsmittelwahl, möglicherweise auch noch über die Wahl des richtigen Hotels oder einer Pension. Aber meist aus energetischen Gesichtspunkten. Wie steht es beim Ihrem Reiseangebot mit der Frage der sozialen Aspekte zum Beispiel bei der Einbeziehung der Bevölkerung vor Ort. Achten Sie darauf, dass die Wertschöpfung beispielsweise vor Ort bleibt? Wie suchen Sie Ihre Partner aus und haben Sie für Ihre Reisen eine Zertifizierung was das Thema Sustainabilty angeht?
Viventura Reisen: Wir sind über das CSR TourCert als ein Unternehmen zertifiziert, das soziale und ökologische Anforderungen über gesetzliche Vorgaben heraus erfüllt. Unsere Vision ist es, die weltweite Referenz für nachhaltigen Tourismus in Südamerika sein. Wir stellen sicher, dass unsere lokalen Partner regelmäßige Schulungen erhalten und mit unseren Hotels und Aktivitäten zusammenpassen. Durch lange Arbeitsverträge schaffen wir gegenseitiges Vertrauen und können langfristig planen. Bei jeder Buchung gehen außerdem 30 Euro an unseren gemeinnützigen Verein viSozial: Diese Spende fließt direkt an die Förderung von Sozial- und Umweltprojekten, womit wir der lokalen Bevölkerung etwas zurückgeben möchten.
Sie haben beispielsweise Machu Pichu in Peru im Programm. Verständlich, dass auch Ihre Gäste dies sehen möchten. Doch wie gehen Sie mt der Tatsache um, dass inzwischen diese Weltkulturerbestätte durch den Massentourismus in Mitleidenschaft gezogen wurde. Wie kann (auch der sogenannte nachhaltige Tourismus) die Grätsche zwischen  einerseits unvergesslichen individuellen Erlebnissen und der Zerstörung der Umwelt schaffen? Welche Tools hat ihr Unternehmen?
Viventura Reisen: Machu Picchu ist die Haupteinnahmequelle für den Tourismus in Peru und wird deswegen mittlerweile z.B. durch stark limitierte Besucherzahlen sehr geschützt. Wir sind uns der Problematik des Massentourismus bewusst und versuchen diesen deshalb wo nur möglich zu vermeiden.  So sind wir mittlerweile selbst Betreiber des Inka Trails, da die Partner vor Ort unseren Ansprüchen unter anderem im Thema Müllvermeidung nicht gerecht wurden. Große Gruppen versuchen wir gleichmäßig aufzuteilen. Bei einer Reise auf die Halbinsel Capachica im Titicacasee wenden wir ein Rotationsprinzip an, so dass Teilnehmer für ihre Unterkunft gleichmäßig auf verschieden Familien verteilt werden. So haben alle das gleiche Enkommen und es kommt zu keinen Riesengruppen. Uns ist wichtig, mit unserer Philosophie und Reisen viele Menschen ansprechen zu können. Sollte ein Reiseziel überhaupt nicht mit unserer Grundsätzen und Ideen vereinbar sein, würden wir keine Tour dorthin anbieten.