Zur Sitzung der Fachkommission für Wirtschaftspolitik (ECON) des Europäischen Ausschusses der Regionen (AdR) kamen über 60 Mandatsträger aus der gesamten EU im litauischen Kurort Druskininkai zusammen.
Die deutsche Delegation wurde durch Staatssekretär Mark Speich, MdP Tilo Gundlack und Bürgermeister Heinz-Joachim Höfer vertreten. Zur Diskussion standen die Herausforderungen und Chancen, die die Nachhaltigkeitsziele für die Städte und Regionen bieten. Im Mai steht die Europawahl an, und die Besorgnis nimmt angesichts des Populismus und der Ergebnisse der Brexit-Verhandlungen zu. Vor diesem Hintergrund sind die Städte und Regionen etablierte Akteure des Wandels, die die globalen Herausforderungen entsprechend den konkreten Gegebenheiten vor Ort angehen, um ein besseres Europa für alle zu schaffen.
„Nachhaltigkeitsziele auf lokaler Ebene: Wie Städte und Regionen zum nachhaltigen Wirtschaftswachstum beitragen“ erklärte Ričardas Malinauskas (LT/SPE), Bürgermeister von Druskininkai und Vorsitzender des Verbands der lokalen Gebietskörperschaften Litauens: „Unsere Stadt ist ein Beispiel für die wirtschaftliche und soziale Erholung auf der Grundlage eines nachhaltigen Entwicklungsmodells. Druskininkai ist seit 1794 wegen seiner vielen natürlichen Heilquellen ein beliebter Kurort. Wir sind stolz, dass es uns mit dem im Jahr 2000 auf partizipativer Grundlage aufgestellten nachhaltigen Geschäftsplan gelungen ist, die rückläufige Tendenz im Tourismus umzukehren und im Jahr 2018 wieder 340 000 Besucher anzulocken.“ Auf der Konferenz wurden auch die Probleme und künftigen Leitlinien bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele in Litauen und Lettland vorgestellt.
Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegeneheiten des Landes Nordrhein-Westfalen, führte weiter aus: „Gerade auf der regionalen und kommunalen Ebene zeigt sich besonders deutlich, wie sich die Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele passgenau mit der Gestaltung der eigenen Zukunft verbinden lässt. In dem in Nordrhein-Westfalen durchgeführten Pilotvorhaben Global Nachhaltige Kommune sind 15 Städte und Gemeinden von ganz unterschiedlicher Größe in einem breiten und inklusiven Strategieprozess dabei unterstützt worden, eine eigene Zukunftsvision und Nachhaltigkeitsagenda zu erarbeiten. Hierbei standen die jeweils individuellen Herausforderungen der einzelnen Kommunen im Mittelpunkt, sie waren aber eingebettet und bezogen auf den gemeinsamen Rahmen, den die Sustainable Development Goals darstellen. Wir wollen das Projekt ab Juni 2019 mit 15 weiteren Kommunen fortsetzen.
Der AdR und die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) haben kürzlich bei den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften sowie Interessenträgern eine Umfrage zu den Nachhaltigkeitszielen durchgeführt. Mehr als 90 % der 400 Umfrageteilnehmer sprechen sich für eine langfristige Strategie der EU zur Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsziele in sämtlichen Politikbereichen aus. 58 % geben an, dass sie die Nachhaltigkeitsziele derzeit umsetzen und dafür Leistungsindikatoren festgelegt haben.
Die Mitglieder nahmen einstimmig einen Stellungnahmeentwurf zum Thema „Die Nachhaltigkeitsziele (SDG): Grundlage einer langfristigen EU-Strategie für ein nachhaltiges Europa bis 2030“ an. Sie fordern die Definierung von differenzierten Zielvorgaben in Zusammenarbeit mit lokalen und regionalen Gebietskörtperschaften um die Nachhaltigkeitsziele vor Ort besser umsetzen zu können sowie eine Anpassung des europäischen Semester und der Kohäsionspolitik. Die Stellungnahme ist der Beitrag des AdR zum Reflexionspapier „Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Europa bis 2030“, das die Europäische Kommission im Januar 2019 vorgelegt hat.
Tilo Gundlack, Mitglied des Landtags Meckelnburg-Vorpommern, hob während der Diskussion die Bedeutung eines ganzheitlichen Ansatzes hevor: „Die Nachhaltigkeitsziele sind nicht nur Umweltziele. Wie u.a. in Frankreich bei der Gelbwestenkrise zu beobachten, geht es darum, den Systemwechsel sozial und territorial verträglich zu gestalten und die Bürger „mitzunehmen“. Auch die Zielsetzungen in Politikbereichen, die bislang außen vor zu stehen schienen wie z.B. die Finanzindustrie, müssen hinterfragt werden. Es kann heutzutage nicht mehr nur um private Profite und Rendite gehen, ohne die Auswirkungen des Handelns in Punkto Nachhaltigkeit einzuberechnen. Auch der Kapitalismus muss viel nachhaltiger werden.“
Heinz-Joachim Höfer, Bürgermeister von Altenkirchen, ergänzte: „Die letzten Zahlen von EUROSTAT zur Umsetzung der 17-Nachhaltigzeitkeitsziele in der Europäischen Union belegen, dass insbesondere die sozialpolitischen Ziele wie Ziel 10 zur Verringerung der Ungleichheiten, Ziel 1 zur Armutsbekämpfung und Ziel 8 zu würdevollen Arbeitsbedingungen ins Hintertreffen geraten sind. Nachhaltigkeit geht aber nur, wenn sie auch sozial ist. Es ist daher dringend geboten, dass ein Aktionsplan zur Umsetzung des Europäischen Pfeilers Sozialer Rechte Toppriorität für die aus den Europawahlen hervorgehende neue EU-Kommission wird“.
Die Stellungnahme soll auf der nächsten Plenartagung des Europäischen Ausschusses der Regionen am 26./27. Juni 2019 in Brüssel verabschiedet werden.
Hintergrund:
Der Europäische Ausschuss der Regionen (AdR) ist die EU-Versammlung der gewählten Regional- und Kommunalvertreter, in deren Rahmen die Städte und Regionen an der Rechtsetzung und Politikgestaltung auf EU‑Ebene mitwirken. Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung wurden von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 25. September 2015 angenommen und umfassen zahlreiche Vorgaben – Beseitigung der Armut, Schutz des Planeten und Wohlstand für alle – als Teil der neuen Agenda für nachhaltige Entwicklung, der Agenda 2030. Jedes der 17 Ziele umfasst konkrete Zielvorgaben (insgesamt 169), die bis 2030 umgesetzt werden sollen. Treibende Kraft bei der Verabschiedung der Agenda 2030 und ihrer Nachhaltigkeitsziele war die EU.