China wird zum vorherrschenden Akteur im Energiesektor – Die Ziele des Pariser Klimaabkommens 2015 könnten aufgrund der wirtschaftlichen Erhohlung außer Reichweite geraten. – Während sich die Finanzkraft der Energiebranche wieder erholte, wird ihre Transformation, vor dem Hintergrund neuer Wettbewerber, immer dringlicher – Die gesamte Wertschöpfungskette ist von der digitalen Transformation betroffen.

China festigt seine Rolle als weltweit führender Akteur in den Bereichen Technologie, Ausrüstung und Energieversorgung, gleichzeitig erhöht das globale Wirtschaftswachstum den Energiebedarf und stellt damit die Erreichbarkeit der langfristigen Klimaziele in Frage. Dies geschah trotz schnell steigender europäischer CO2-Preise und fallenden Kosten für Erneuerbare Energien. Zwischenzeitlich haben Preisteigerungen bei den fossilen Energieträgern insbesondere in Europa zu höheren Preisen auf den Großhandelsmärkten für Strom und Gas geführt. Im Gegenzug hat sich die finanzielle Lage der Energieversorger verbessert und das Wettbewerbsumfeld geändert. Mit dem zunehmenden Markteintritt neuer Wettbewerber passen Energieversorger ihre Geschäftsmodelle durch den Einsatz neuer Technologien, wie Internet of Things (IoT), Künstlicher Intelligenz (KI), Robotics und Blockchain an. Von der digitalen Transformation sind alle Teile der Wertschöpfungskette betroffen, angefangen bei den Kundenbeziehungen über die operativen Prozesse bis hin zu Netzen und interaktiven Dienstleistungen. Zu diesen Ergebnissen kommt die zwanzigste Ausgabe des jährlich erscheinenden World Energy Markets Observatory (WEMO) von Capgemini in Zusammenarbeit mit De Pardieu Brocas Maffei und Vaasa ETT.
Andreas Weiler, Leiter Energy & Utilities DACH bei Capgemini: „Wir beobachten, wie jetzt auch die großen Öl- und Gasunternehmen auf die Märkte für Endkunden und Erneuerbare Energien drängen und hier starke Ambitionen zeigen. Gleichzeitig sind die Geschäftsmodelle der etablierten Energieversorger erheblichen Veränderungen unterworfen: Neben der Ausrichtung auf dienstleistungsbasierte Geschäftsmodelle gilt es nun, den Automatisierungsgrad voranzutreiben und damit verbundene personelle Herausforderungen frühzeitig anzugehen. Die etablierten Energieversorger müssen jedenfalls ihre Transformationsbemühungen verstärken, wenn sie im Rennen bleiben wollen mit den neuen Playern, wie Technologiekonzernen, Einzelhändlern oder Öl-Multis.“
Die vier wichtigsten Ergebnisse des WEMO 2018 im Überblick:
1. China, der zweitgrößte Energieverbraucher der Welt, führender Emittent von Treibhausgasen (THG) und wichtiger Lieferant von Energietechnik und Schlüsselakteur bei kritischen Ressourcen, ist unterdessen auch zu einem wichtigen Investor in der Strombranche geworden.
Der Energiebedarf Chinas wächst stetig, 2017 erhöhte das Land seine Importe von flüssigem Erdgas um 46 Prozent und verursachte damit 30 Prozent des weltweiten Nachfragewachstums. Die Verschmutzung ist nach wie vor ein Problem und China ist der weltweit größte Verursacher von Treibhausgasen. Die Republik verfolgt bei der Entwicklung von energietechnischen Anlagen eine langfristige Politik und betreibt diese zunächst nur für den heimischen Markt, bevor sie die Anlagen dann auch international verkauft. Sie exportiert aggressiv Kohlekraftwerke, 700 davon befinden sich derzeit im Bau, Photovoltaik-Solarzellen, die fast die Hälfte der weltweit neu installierten Leistung abdecken sowie Windkraftanlagen. Der Studie zufolge dürften Stromspeicher und Elektrofahrzeuge sowie Kernreaktoren die nächste Welle der chinesischen Ausrüstungsexporte sein. China hat auch einen dominanten Anteil (95 Prozent) an der weltweiten Produktion von begehrten, seltenen Metallen und Erden, die für die Energiewende benötigt werden. Darüber hinaus hat China seine jahrzehntelange dynamische Akquisitionspolitik in Afrika, Südamerika und Asien nun auch auf europäische Stromnetze und Versorgungsunternehmen ausgeweitet.
2. Das Wirtschaftswachstum beeinträchtigt die Erreichung der Klimaziele, hat aber im Gegenzug zu einer Erholung der Preise am Strom- und Gasgroßhandelsmarkt geführt, was wiederum die finanzielle Lage der Energieversorger verbesserte.
Nach drei Jahren in denen die Treibhausgasemissionen stagnierten, stiegen sie 2017 um 1,4 Prozent, angetrieben durch das Wirtschaftswachstum welches die Energienachfrage stimulierte. Die ohnehin schon fragilen Klimaschutzziele der Pariser Klimavereinbarung 2015 könnten trotz des deutlichen Anstiegs der CO2-Preise in Europa von 5 EUR/ t Anfang 2017 auf 20 EUR Anfang September 2018 gefährdet sein, resultierend aus der sich erholenden Weltwirtschaft und den Maßnahmen der Europäischen Union.
Colette Lewiner, Senior Advisor für Energie und Versorgungsunternehmen bei Capgemini: „2017 stiegen die Treibhausgasemissionen dank der stärkeren Wirtschaft zum ersten Mal seit mehreren Jahren wieder an. Aufgrund dessen können die Klimaschutzziele bis 2050 möglicherweise nicht erreicht werden. Die Europäische Union hat einige, unzulängliche Maßnahmen ergriffen, um einen sinnvollen CO2-Preis von rund 55 EUR/t zu erreichen. Dafür wären CO2-Mindestpreise entweder auf regionaler oder nationaler Ebene erforderlich.“
3. Die Preise für Erneuerbare Energien und Speicher sind weiter gesunken. Jedoch sorgen technologische Grenzen, aber auch hohe Entwicklungskosten dafür, dass in den meisten Ländern eine vollständige Stromerzeugzung aus Erneuerbaren Energien noch in weiter Ferne liegt.
In den letzten zwölf Monaten sind die Kosten für Erneuerbare Energien weiter gesunken, allein 20 Prozent für Photovoltaik (PV): Die Kosten für Onshore-Windkraft und PV im Großmaßstab werden im Vergleich zu den meisten traditionellen Stromerzeugungsressourcen fast überall wettbewerbsfähig, ohne hierbei die Kosten für einen eventuell notwendigen, zusätzlichen Netzausbau zu berücksichtigen. Die Batteriekosten folgen dem gleichen Abwärtstrend. Diese Kombination könnte einige Länder wie Dänemark dazu veranlassen, sich Ziele für einen Erzeugung komplett auf Basis Erneuerbarer Energien zu setzen. Für größere Länder und Regionen ist solch ein Vorhaben derzeit, aufgrund von noch vorhandenen Einschränkungen in Technologie und Fluktuationsmanagement, sowie hohen Implementierungskosten, auch unter Verwendung von Batteriespeichern im großen Stil, noch nicht durchführbar.
4. Die Versorgungslandschaft entwickelt sich weiter im Rahmen der finanziellen Erholung in der Branchen, gleichzeitig entstehen neue Herausforderungen.
Insbesondere in Europa war eine leichte Verbesserung der finanziellen Lage der Energieversorger zu verzeichnen, was auf eine Erholung der Großhandelspreise im Strom- und Gasmarkt sowie auf erste erfolgreiche Anpassungen der Geschäftsmodelle der Brachenteilnehmer zurückzuführen ist. Diese Situation hat zur Initiierung zahlreicher Transformationsvorhaben sowie zu Fusions- und Übernahmemaßnahmen geführt, wobei jedes Land seinen eigenen Weg geht: Deutsche Energieversorger konzentrieren sich auf Teile der Wertschöpfungskette, Großbritannien korrigiert einige Folgen der Liberalisierung des Endkundenmarktes mit neuen Regulierungen, asiatische Märkte beginnen den Deregulierungsprozess und überall betreten neue Akteure den Markt.
Über den WEMO
Das World Energy Markets Observatory ist eine jährliche Publikation von Capgemini, welche die wichtigsten Indikatoren der Strom- und Gasmärkte in Europa, Nordamerika, Australien und Süd-Ost-Asien beobachtet und über die Entwicklungen und Transformationen in der Branche berichtet. Die zwanzigste Ausgabe, die hauptsächlich auf öffentlichen Daten und Capgeminis Expertise im Energiesektor basiert, bezieht sich auf Daten von 2017 und Winter 2017/2018. Besonderes Wissen zu Regulation, Klimaherausforderungen und Kundenverhalten wurde von Forschungsteams von De Pardieu Brocas Maffei und VaasaET beigetragen. Ein vollständiges Exemplar des Berichts, der Infografiken und Podcasts können Sie hier herunterladen.