Wie können Einheimische vom Tourismus profitieren? Wie können nachhaltige Tourismusprojekte dazu beitragen? Vor allem in Staaten und Regionen, die dringend auf Entwicklung angewiesen sind? Ein Best practise Beispiel dafür findet sich Laos.
Jährlich reisen etwa 15.000 ausländische Touristen nach Phongsaly, einer schwer zugänglichen Region im Norden von Laos. Sie kommen zum Wandern in der wilden, immergrünen Berglandschaft, lassen sich von der kulturellen Vielfalt faszinieren oder unternehmen abenteuerliche Fluss-Bootsfahrten.
In Phongsaly leben 200.000 Menschen in 600 Bergdörfern. 28 ethnische Gruppen prägen die Region. Viele Ortschaften sind nicht an das Straßennetz angeschlossen. Trotz schwieriger Anreise hat sich im Tourismus seit 2008 einiges entwickelt. Eine der Attraktionen in der Provinz ist das Ethnische Museum. Dort können sich Touristen über die Einwohner, ihr Leben und ihre Kulturen informieren und so bewusster wahrnehmen, was sie auf ihrer Reise erleben. Auch die Bewohner der Provinz haben durch die Ausstellung ihre sehr unterschiedlichen Traditionen besser kennen- und schätzen gelernt.
Eine weitere Besonderheit ist das Tee-Dorf Komaen mit einem 400 Jahre alten Teegarten, durch den ein Wanderweg führt. Gäste können sich eine Ausstellung über die Geschichte des Gartens und den Teeanbau ansehen und traditionelle Tee-Spezialitäten einkaufen. Maßgeblich an dieser Entwicklung mitgewirkt hat die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH, die im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in Laos arbeitet. Die Entwicklungshelferin Carine Pin hat das staatliche Provinz-Tourismusbüro dabei unterstützt, ein Konzept für einen gemeindebasierten Tourismus zu erarbeiten, Reiseangebote zu entwickeln und professionell zu vermarkten.
Gemeindeentwicklung
Die 35-Jährige Ethnologin aus der Schweiz lebt seit fünf Jahren in Laos, seit drei Jahren in Phongsaly. Die Expertin für Gemeindeentwicklung hat auch schon in Mosambik gearbeitet. „Die Fähigkeiten der Menschen und ihre Handlungskompetenz zu stärken betrachte ich als das Wesentliche meiner Arbeit“, sagt Carine Pin. Als sie nach Laos kam, gab es noch wenige Touristen in Phongsaly. Sie hat viel Basisarbeit geleistet. Es gibt nun aktuelles Informationsmaterial und Karten. Die meisten Gäste kommen zum Wandern, daher hat das Tourismusbüro zusammen mit Gemeinden elf Wanderrouten ausgearbeitet und für die gesamte Provinz gültige, faire Preise eingeführt. Die Touren führen durch den Dschungel und über Reisfelder in Bergdörfer, wo Touristen bei Gastfamilien übernachten können. Informationen gibt es im Internet, buchen kann man per E-Mail oder über einen der Reiseveranstalter, mit denen das Tourismusbüro zusammenarbeitet. Ein Gepäcktransport steht zur Verfügung und es können Mountainbikes gemietet werden. Um das Angebot laufend zu verbessern, verteilt das Tourismusbüro Bewertungsbögen an die Gäste. Die 26 teilnehmenden Gemeinden profitieren vielfältig vom Tourismus. Familien verdienen ein Einkommen, indem sie Unterkünfte, Verpflegung und traditionelle Massagen anbieten oder Gäste auf Wanderungen begleiten. Ein Teil des Einkommens geht in die Dorfkasse oder in Dorfentwicklungsfonds, aus denen zum Beispiel die Pflege der Wanderwege finanziert wird.
Nutzen für die Bevölkerung steht im Vordergrund
Der Nutzen des Tourismus für die Bevölkerung stand für Carine Pin von Anfang an im Vordergrund. „Es geht um mehr als Einkommen. Entscheidend ist, dass die Menschen aktiv werden, und nicht als kuriose Objekte betrachtet werden“, betont die Beraterin. Viele Trainings und Besprechungen waren nötig, denn im Tourismusbüro arbeiteten keine Fachkräfte. Heute hat das Büro eine Datenbank, professionell gestaltete Broschüren und die Mitarbeiter sind für die Kommunikation mit Touristen geschult. Künftig wird es mehr gut ausgebildete Fachkräfte geben. „Die ersten Absolventen des Tourismus-Studiengangs haben letztes Jahr ihren Abschluss gemacht“, berichtet Carine Pin.
Die Arbeit mit der Bevölkerung ist der Schweizerin besonders ans Herz gewachsen. „Die Menschen in den Dörfern hatten zuvor noch nie Touristen gesehen – heute bieten sie ihnen Unterkünfte, Verpflegung, Ausflüge und ihre Produkte an“, freut sie sich. Und sie lassen die Gäste an ihrem Leben teilhaben, geben ihnen Einblick in ihre Kulturen. „Die Menschen sind Kulturlehrer, sie zeigen den Gästen ihr tägliches Leben. Zum Beispiel gibt es einen Entdeckertag, an dem Frauen der Akha-Kultur Gäste zu ihren Feldern und Gärten führen, ihnen zeigen, wie sie Gemüse, Waldfrüchte und Medizinpflanzen ernten. Anschließend wird das Mittagessen zusammen gekocht. So bekommen die lokalen Kenntnisse einen Wert und Frauen nehmen eine neue Rolle im Dorf ein“, erzählt Carine Pin.
Unterstützung von Frauen
Carine Pin unterstützt die Frauen dabei, ihr Kunsthandwerk weiter zu entwickeln. Neben den traditionellen Trachten nähen und besticken sie zum Beispiel kleine Figuren, Eidechsen und Vögel, die bei Touristen sehr beliebt sind. So sind auch immer mehr Mädchen motiviert, das Nähen zu lernen. Ihre Produkte werden auf Vermittlung von Carine Pin auch in einem Kunsthandwerk-Laden in der von Touristen häufig besuchten Stadt Luang Prabang verkauft. „Das läuft jetzt von alleine“, freut sich die Entwicklungshelferin.
Die gute Resonanz auf ihre Produkte lässt die Frauen mutiger werden. „Nach drei Jahren Zusammenarbeit hat die Gruppenleiterin ein Bankkonto eröffnet“, erzählt Carine Pin. „Das gewonnene Selbstbewusstsein und die Eigenständigkeit lassen sich auf alle Lebensbereiche übertragen.“ Vier Akha-Frauen haben ihre Produkte sogar in der Hauptstadt Vientiane auf dem landesweiten Kunsthandwerk-Festival präsentiert. Sie kamen erstmals in ihrem Leben in die Stadt – nach stundenlagen Fußmärschen und zweitägiger Busfahrt. „Ich musste viel Überzeugungsarbeit leisten, bis die Ehemänner ihre Frauen reisen ließen“, sagt Carine Pin. Mit ihren kunstvoll bestickten Trachten waren die Akha die Stars des Festivals. Ihre Produkte werden inzwischen sogar in Australien in einem Internet-Shop angeboten. „Stolz kamen die Frauen nach Hause zurück, mit einem zusätzlichen Einkommen in der Tasche und reich an Erfahrung. Und für ihre Heimatregion war das Festival eine sehr gute Werbung“, freut sich Carine Pin, die ihren Einsatz in Phongsaly Ende April 2013 abschließen wird.