Offener Brief an alle Entscheider, die in Chengdu, die Weichen stellen, für die künftige Entwicklung der UNWTO, gerichtet an die deutschen Tourismuspolitiker (ebenso an alle anderen Delegierten bei der General Assembly in Chengdu/China)
Sehr geehrte Damen und Herren des Tourismusausschusses,
sehr geehrte Verantwortlichen für den internationalen Tourismus,
Kurz vor Ende der Legislaturperiode wende ich mich mit einem Anliegen an Sie, bei dem meiner Ansicht nach dringender Handlungsbedarf besteht. Ich möchte Sie bitten in nachfolgender Angelegenheit beim zuständigen Tourismus-Referat, das federführend in dieser Angelegenheit ist, auf eine richtige Entscheidung zu drängen. Hierbei geht es um die Wahl des designierten Generalsekretärs der UNWTO, Zurab Polikashvili. Das ist sicherlich kein Wahlkampfthema, aber hier geht es auch um die Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik Deutschland in einer UN Agentur. Ich möchte Ihnen kurz den Sachverhalt schildern:
„Wenn Dir Deine Familien lieb ist, dann höre mit Deinen Nachforschungen auf!“ Mehrfach habe ich im Juni und Juli dieses Jahres Anrufe mit einer georgischen Kennung erhalten, bei der mir eine englische Stimme bei jedem Call diesen Satz wiederholte.
Beim Rückruf gab es eine englische und georgische Ansage, dass es unter dieser Nummer keinen Anschluss gibt. Bei der Berliner Polizei und auch bei der Berliner Staatsanwaltschaft habe ich deshalb zwei Anzeigen gegen Unbekannt erstattet, mit dem Hinweis und dem Verdacht darauf, dass diese Anrufe „ im Zusammenhang mit der Wahl zum designierten Generalsekretär der UNWTO stehen“.
Ich arbeitete zu der Zeit an einer Recherche zu Wahlmanipulationen bei der Wahl zum UNWTO Generalsekretär,Zurab Polikashvili, während der Sitzung des 105th UNWTO Executive Council im ersten Maidrittel 2017 in Madrid. Ich habe hinlänglich sowohl auf FAIReconomics als auch auf der internationalen Onlinezeitung HuffPost auf die Missstände hingewiesen, mit Politikern gesprochen und versucht Aufklärung zu betreiben.
Die Recherchen über den designierten Generalsekretär Zurab Polikashvili ergaben Merkwürdiges, Anhaltspunkte und auch Ungereimtheiten, die inzwischen dokumentiert wurden. So findet man beispielsweise im Internet keine Hinweise auf eine Vergangenheit des Kandidaten, quasi so als wäre das Internet vom Vorleben des designierten UNWTO Generalsekretärs gesäubert worden. Weder über seine Funktion in der Geschäftsleitung der tbc Bank, einer der größten georgischen Banken, noch über seine Tätigkeit als Minister oder als CEO von Dynamo Tiflis findet man Spuren dieses Mannes. Im Internetzeitalter ausgesprochen kurios, als hätten staatliche Organe Georgiens, dessen Kandidat Zurab Polikashvili ja ist, ganze Arbeit geleistet.
Der noch amtierende UNWTO Generalsekretär Taleb Rifai brachte es während einer Pressekonferenz am frühen Nachmittag des 12. Mai in Madrid treffend auf den Punkt. Es sind die Mitgliedsstaaten, die einen Kandidaten wählen. Und als mögliche (nicht geäußerte) Analogie dazu, fachliche Eignung zählt dann nur in zweiter Linie. Weil es um politische Deals geht. Der wichtigste politische Ziel der georgischen Regierung – übrigens mir von einem georgischen Delegationsmitglied in Madrid bestätigt: Endlich einen Vorsitz in einem UN Gremium zu besetzen. Dafür hat sowohl der Kandidat als auch die Regierung des Kaukasusstaates hart gearbeitet und werden dies bis zur General Assembly im chinesischen Chengdu auch weiter tun, denn um den Delegierten der anderen Staaten Druck zu machen, hat sich als Unterstützung des Kandidaten der georgische Ministerpräsident Giorgi Kwirikaschwili angesagt.
Selbstverständlich hat die georgische Regierung und der Staat jedes Recht darauf, einen der ihrigen auf den Platz des Generalsekretärs einer UN-Agentur zu platzieren, genauso, wie es andere Staaten auch tun. Wäre da nicht die versuchte Einflussnahme auf die Wahlentscheidung durch spezielle Einladungen von Mitgliedern des Executive Councils zum Championsleaguespiel im Vorfeld der Abstimmungen.
Die Wahlmanipulationen in Madrid sind ein Skandal und der amtierende Generalsekretär scheint diesen zu decken. Mag mag die Einladung der georgischen Botschaft als „peanuts“ abtun, doch Amtsträger und Politiker gehören nicht auf Einladungslisten für Championsleague-Fußballspiele. Zumindest nicht in Deutschland – und ähnlich sieht es in anderen zivilisierten westlichen Staaten aus.
Zudem handelt sich dabei um eine höherwertige Einladung mit hohem Unterhaltungscharakter und wenig geschäftlichem Bezug. Da die Eingeladene maßgebliche Entscheider über eine Auftragsvergabe oder einen Vertragsabschluss, in diesem Falle „Wahlberechtigt“ sind, entsteht mit der Einladung der „böse Schein“ der „Käuflichkeit“. Diese Erkenntnis wird jeder Compliance Beauftragte bestätigen.
Anders als in anderen UN-Gremien, sind bei der UNWTO zahlreiche Privatunternehmen assoziiert. Deren Compliancemanagern bliebe bei diesem Wahlergebnis im Grunde nur der dringende Rat an die Vorstände, sich aus der Welttourismusorganisation zurückzuziehen, schließlich widerspricht das angewendete Procedere des jetzigen UNWTO Managements allen rechtlichen Complianceregelungen international agierender Unternehmen. Vorstände sind schon wegen kleinerer Petitessen geflogen oder straf- und zivilrechtlich verurteilt worden.
Eine der grundlegenden Aufgaben der Welttourismusorganisation ist die Umsetzung des Globalen Ethikkodexes für Tourismus, für die sich die Mitglieder und die UN Agentur einsetzen soll. Mit welcher Kompetenz und welcher Autorität will denn der zukünftige Generalsekretär Zurab Polikashvili dort auftreten?
Ich selbst habe mit der UNWTO zuvor wenig berufliche Anknüpfungspunkte, ich bin lediglich ein freier Journalist, der über Nachhaltigkeit und Entwicklungszusammenarbeit berichtet. Insofern hat mich das nachhaltige Jahr für Tourismus, von der Organisation ausgerufen,  interessiert. Warum ich mich  nun in eine Wahl einmische? Zunächst wurde ich und meine Familie mit dem Leben bedroht, was an sich schon – ob Ernst gemeint oder nicht – nicht nur eine Straftat darstellt, sondern auch eine Riesenschweinerei ist.
Zum Zweiten habe ich mich entschlossen, in diesem Falle – eben wegen des persönlichen Bezugs – nicht nur Chronist zu sein, sondern eine Haltung einzunehmen.
Was ich in den letzten Wochen erlebt habe, lässt mich stark an der Glaubwürdigkeit der UN-Agentur zweifeln. Die Vertreter der Staaten bei der General Assembly in Chengdu sollten genau entscheiden, ob sie ein „weiter so“ oder einen wirklichen Neuanfang wollen. Doch ohne Glaubwürdigkeit, touristische Kompetenz und Reformwille an der Spitze wird die Organisation in Zukunft weder Ernst genommen, noch durchsetzungsfähig sein.
Bitte setzen Sie sich deshalb persönlich für eine der Situation angemessen Abstimmungsverhalten unseres Landes ein.
Mit freundlichen Grüßen
Frank Tetzel
Chefredakteur fair-economics